Richtlinien für den Steharbeitsplatz
Gut die Hälfte aller Angestellten in Deutschland arbeitet einen Großteil des Tages im Stehen. Es gibt viele Branchen, in denen die Steharbeit gang und gäbe ist: Vom Produktionsarbeitsplatz in der Industrie über den Friseursalon bis hin zum Ladentisch im Einzelhandel gibt es viele Bereiche, in denen die Mitarbeiter stehen, während sie arbeiten.Besonderheiten des Steharbeitsplatzes
An einem Steharbeitsplatz verbringen die Angestellten den Großteil ihres Tages ausschließlich im Stehen. Sie haben auch keine andere Möglichkeit, da ihr Job sich im Sitzen nicht durchführen lässt und sie nicht einfach ihren Platz verlassen können. Der menschliche Körper ist auf eine derartig einseitige Belastung aber nicht eingerichtet, daher kommt es bei vielen Mitarbeitern nach längerer Steharbeit zu gesundheitlichen Einschränkungen: Neben Rückenproblemen kommt es vor allem zu Beeinträchtigungen von Beinen und Füßen: Senk- oder Spreizfüße entwickeln sich ebenso leicht wie Krampfadern. Auch das Herz-Kreislaufsystem wird in Mitleidenschaft gezogen.
Risikobereiche und Notwendigkeit von Maßnahmen
Im Normalfall wird für den Arbeitstag eine Einteilung von 60 Prozent sitzen, 30 Prozent stehen und 10 Prozent gehen empfohlen. Falls es also umsetzbar ist, sollten Arbeitgeber versuchen, ihren Mitarbeiter einen Wechsel zwischen Steharbeit und solcher im Sitzen oder Gehen zu ermöglichen. An vielen Steharbeitsplätzen funktioniert das allerdings nicht. Hier sind die Mitarbeiter gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.
Wie stark die Mitarbeiter allerdings gefährdet sind, wird nach Risikobereichen eingestuft: Liegt die reine Steharbeit um Tag bei unter 2,5 Stunden, reicht der Ausgleich, um die Gefährdung durch das Stehen aufzuheben. Das ist der Risikobereich 1.
Im Risikobereich 2, in dem die Steharbeit bei 2,5 bis 4 Stunden liegt, sollte der Arbeitnehmer erste Maßnahmen ergreifen. Diese sind wichtig für Menschen, die für die Arbeit im Stehen körperlich nicht gut gerüstet sind. Wer etwa an schwachem Bindegewebe oder an Skoliose leidet, wird am Steharbeitsplatz schneller Probleme bekommen als andere: Ersteres ist nicht stark genug, um die beanspruchten Venen in den Beinen zu unterstützen. Letztere leistet der Überbelastung der Wirbelsäule und der Entwicklung von Bandscheibenproblemen Vorschub.
Der Risikobereich 3 umfasst eine Steharbeit von 4 bis 5,5 Stunden am Tag. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter hier gesundheitliche Schäden davontragen, wenn der Arbeitgeber keine Maßnahmen ergreift, ist relativ hoch. Schwangere Frauen dürfen an einem solchen Steharbeitsplatz nach dem fünften Monat der Schwangerschaft nicht mehr beschäftigt werden.
Im Risikobereich 4, der bei über 5,5 Stunden Steharbeit am Tag liegt, ist die Wahrscheinlichkeit für körperliche Beeinträchtigungen der Mitarbeiter sehr hoch. Hier sind auf jeden Fall geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Richtlinien für den Steharbeitsplatz
Da die Steharbeit stets eine Gefährdung der Gesundheit darstellt, muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter in Schulungen darüber aufklären, welches Risiko besteht. Außerdem erfahren sie, mit wie sie selbst ihre Gesundheit durch das richtige Verhalten schützen können, etwa durch
- die richtige Haltung
- abwechselndes Belasten beider Beine
- Haltungsänderungen
- kurze Pausen für andere Bewegungsabläufe
- Botengänge
- Gymnastikübungen für die Pause
- Spaziergänge
- das Hochlegen der Beine im Aufenthaltsraum
Darüber hinaus gibt es Richtlinien, die sich an den oben genannten Risikobereichen ausrichten: Die Richtlinien für einen Steharbeitsplatz des 1. Risikobereichs sehen noch keine zwingenden Maßnahmen vor. Ab dem Bereich 2 wird empfohlen, dass der Arbeitgeber dafür sorgt, dass seine Mitarbeiter genügend Platz für Ausgleichsbewegungen haben: Sie sollten sich kurz strecken und ihre Muskeln bewegen können. Darüber hinaus sollte ein Pausen- oder Aufenthaltsraum da sein, in dem die Mitarbeiter sich bei Bedarf setzen können.
Ab einer Arbeitszeit von 4 Stunden am Steharbeitsplatz sehen die Richtlinien größere Veränderungen vor: Die Böden müssen gedämmt sein, damit die Füße nicht zu kalt werden. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber einen elastischen Bodenbelag wählen. Dieser verhindert, dass die Mitarbeiter Senkfüße bekommen. Zusätzlich sorgt er dafür, dass es nicht zu Verkrampfungen kommt: Durch den leicht elastischen Boden führt der Mitarbeiter unwillkürlich und ohne es zu spüren minimale Ausgleichsbewegungen aus. Diese beeinträchtigen nicht seine Arbeit, verhindern aber eine ganze Reihe von schädlichen Auswirkungen der Steharbeit. Auch muss der Arbeitgeber sich an diesem Moment um geeignetes Schuhwerk für seine Mitarbeiter kümmern. Es zeichnet sich durch eine bewegliche Sohle und einen breiten Absatz aus, stützt den Fuß und lässt ihn locker abrollen.
Ab über 5,5 Stunden wird das Risiko für Langzeitschäden durch die Steharbeit sehr hoch. Daher ist es hier wichtig, dass der Arbeitgeber alle Maßnahmen ergreift, die auch für die ersten drei Risikobereiche gelten. Zusätzlich gibt es freiwillige Maßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen kann und die die Gefährdung seiner Mitarbeiter weitestgehend minimieren.
Weitere Möglichkeiten für den Arbeitgeber
Eine gute Möglichkeit, die Mitarbeiter vor Problemen mit den Beinvenen zu bewahren, ist die Anschaffung von Kompressionsstrümpfen. Diese werden den einzelnen Arbeitnehmern angepasst und verhindern, dass die Venenklappen in den Beinen versagen.
Hilfreich und von mehreren Angestellten nutzbar ist die Stehhilfe: Diese entlastet die Beine der Mitarbeiter um etwa 60 Prozent und erlaubt es ihnen, bei der Arbeit einen etwas anderen Winkel einzunehmen. Der Kreislauf wird angeregt, die Füße können bewegt und der Nacken anders gehalten werden. Verkrampfte Muskeln entspannen sich, und der Körper erholt sich in der leicht geänderten Haltung, während der Mitarbeiter gleichzeitig weiterarbeiten kann. Ist die Stehhilfe höhenverstellbar, können verschiedene Mitarbeiter sie jeweils für ihre eigenen Bedürfnisse anpassen. Sie nimmt nicht viel Platz weg und ist eine große Erleichterung.
Ideal ist es, wenn die Tische und Maschinen am Steharbeitsplatz sich ebenfalls in der Höhe verstellen lassen. So können alle Mitarbeiter sie der eigenen Körpergröße anpassen. Allerdings ist diese Option relativ kostenintensiv, wenn Sie sie nachrüsten müssen.
Einfacher ist es, den Pausenraum neben Stühlen auch mit Schemeln oder Hockern auszustatten. Hier können die Mitarbeiter vom Steharbeitsplatz ihre Füße hochlegen und so ihren Kreislauf wieder ankurbeln. Zudem sorgt die Entlastung dafür, dass die Füße weniger schmerzen. Eine weitere gute Möglichkeit ist ein Crosstrainer, zu dem die Mitarbeiter Zugang haben: Er sorgt dafür, dass die Muskeln, die über einen langen Zeitraum hinweg die immer gleiche Bewegung durchgeführt haben, anders beansprucht werden.
Gerade bei Steharbeit über mehrere Stunden am Tag ist es wichtig, dass der Arbeitgeber noch einmal in die Abläufe schaut und sicherstellt, dass sich nichts ändern lässt: Gibt es nicht die Möglichkeit, dass die Mitarbeiter nach Ablauf eines Arbeitsganges eine weitere Aufgabe übertragen bekommen, die sie zusätzlich ausführen können – etwa das Abliefern von Produkten oder Dokumenten oder das Heranschaffen von notwendigen Dingen aus dem Lager? Obliegt diese Aufgabe eigentlich noch jemand anderem, ist es vielleicht möglich, etwas umzustrukturieren: Sobald der Arbeitsalltag andere Bewegungen als das reine Stehen beinhaltet, profitieren die Mitarbeiter davon.
Eine weitere Möglichkeit, mit der der Arbeitgeber seine Mitarbeiter am Steharbeitsplatz entlasten kann, ist Sport. Er kann zum Beispiel für das ganze Unternehmen einen Vertrag mit einem Sportverein oder Fitnessstudio abschließen, dank dem seine Mitarbeiter deutlich vergünstigte Bedingungen erhalten. Oder er bucht einmal die Woche oder zweimal im Monat Massagen: Es gibt inzwischen Masseure, die sich auf Unternehmen spezialisiert haben und den Mitarbeitern regelmäßig vor Ort eine Massage anbieten.
Fazit: Hohes Risiko und gute Maßnahmen
Die Steharbeit ist gefährlich für die Mitarbeiter, aber es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die die Arbeitgeber ergreifen können, um das Risiko zu minimieren. Dabei ist es hilfreich, wenn sie sich nicht allein an die Richtlinien halten, sondern darüber hinaus gehen. Zwar bedeutet das in vielen Fällen eine Investition, doch die lohnt sich auf jeden Fall: Schmerzfreie Mitarbeiter fallen weniger leicht aus und arbeiten besser. Darüber hinaus wissen sie, dass sie wertgeschätzt werden, und belohnen die zusätzlichen Maßnahmen häufig mit Treue zum Unternehmen.
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